Jan 11, 2021
Das Nähen begleitet die Menschheit schon sehr lange! Lange bevor
die Nähmaschine ins Spiel kam. Das Nähen per Hand hat eine lange
Tradition. Vor über 20.000 Jahren schon nutzten die Menschen erste
Nadeln aus Fischgräten, spitzen Knochen oder ähnlichen Materialien.
Das Garn bestand aus Tiersehnen. Wie der Mensch halt so ist, wurde
dieses Handwerk über die Jahrtausende immer weiter verfeinert. Als
die industrielle Revolution kam, wurde das Nähen von Hand nach und
nach durch die Arbeit an der Nähmaschine ersetzt.
Ich muss zugeben, dass ich mein geschichtliches Wissen in
Grenzen hält. Ich muss für Informationen, die ins geschichtliche
gehen, immer recherchieren. Ich verlinke in den Shownotes die
entsprechenden Beiträge, die mir da weitergeholfen haben.
Ich denke, dass wir alle irgendeine Vorstellung davon haben, wie
die Kleidung der Steinzeitmenschen aussah. Ich sehe dann immer
langhaarige kleine Menschen vor mir, die sich mit Fellen
eingekleidet haben. Diese Vorstellung wird aus Büchern und Filmen
genährt. Seitdem hat der Mensch einen weiten Weg hinter sich
gelegt, aber so weit die Technologie fortgeschritten ist, bestimmte
Grundbedürfnisse bleiben. Wir haben Hunger und Durst, uns wird
kalt, wir müssen atmen, etc.
In diesem Podcast geht es natürlich um die Kleidung. Ich möchte
auch nicht länger darauf eingehen, wie die Kleidung in der
Vergangenheit aussah, auch wenn es da sehr interessante Epochen
gab, sondern mal einen Blick in die Zukunft wagen. Die
Vergangenheit können wir nicht mehr beeinflussen, die Zukunft
schon. Lass uns mal weiter nach vorne denken… Hmmm, lass uns sagen,
in das Jahr 2050.
Vor der Jahrtausendwende klangen alle Jahreszahlen mit einer 2
an der Tausender Stelle ganz schön futuristisch. Jetzt, im Jahr
2021 klingt 2050, die Hälfte unseres Jahrhunderts schon noch weit
weg, aber auch nicht soooo sehr. Wenn ich das Jahr erleben darf,
werde ich 73 Jahre alt sein. Vielleicht habe ich dann Enkelkinder.
Ein Grund mehr, mir Gedanken darum zu machen, was ich dafür tun
kann, dass unsere Welt dann für unsere Kinder und Enkelkinder eine
schöne ist. Und wenn ich dann noch lebe, möchte ich natürlich auch
gerne, dass sie schön ist.
Schön ist natürlich ein sehr subjektiver Begriff, aber ich
denke, dass wir uns einig sind, dass wir in Sachen
Umweltverschmutzung schnell sehr viel aktiver werden müssen, als
das jetzt der Fall ist. Wir als einzelne Personen, aber auch unsere
Gesellschaft.
Das ist ein sehr weites Themenfeld, das fast alle Bereiche
unseres Lebens betrifft. Beim NDS Podcast soll es um Stoffe und
Kleidung gehen. Heute insbesondere um die Stoffe der Zukunft.
Werden sich die Fasern und Stoffe deutlich verändern zu heute?
Nochmal ein kurzer Blick in die Vergangenheit: Leder, Fell, Leinen,
Bauwolle, für die Reichen Seide, damit haben wir Menschen
Jahrtausende gelebt und überlebt. Auch die Bekleidungsformen haben
sich vom Grundprinzip nicht viel verändern. Klar, die Details, wer
darf was tragen, Frauen in Hosen, da hat sich gesellschaftlich in
vielen Ländern seitdem einiges getan. Aber an den grundlegenden
Formen: Rock, Hose, Kleid, Oberteil, Schuhe, Taschen, hat sich ja
nicht grundlegend etwas verändert. Wir müssen uns in unserer
Kleidung durch den Alltag gehen können, dann gibt es bestimmte
Anlässe, zu denen es schicker und auch mal unbequemer sein
darf.
Ein Blick auf die Materialien zeigt, dass wir heute ein viel
breiteres Angebot an Fasern und Materialien haben. Durch die
Fortschritte in der Chemie und Fertigung von Fasern und Stoffen ist
viel passiert, was man sich vor Hundert Jahren noch nicht hätte
vorstellen können. Und vor allem nicht in der Massenproduktion, die
wir heute erreichen können. Künstliche Fasern, Leder und Felle, vom
Menschen hergestellt, gestrickte Stoffe, verrückte Farben wie neon,
Drucke in allen Größen und Auflagen, und allem voran, ganz viele
Fasern, die nicht verrotten und so wieder in den natürlichen
Kreislauf gehen.
Wie lange werden wir noch auf die Ressourcen zugreifen können,
die wir momentan noch haben? Werden wir mit einer ansteigenden
Weltbevölkerung, vermutlich immer weniger bewohnbarer und
bewirtschaftbarer Fläche, immer noch genügend Ressourcen an
natürlichen Fasern wie Baumwolle und Leinen haben oder können wir
dann gar nicht anders, als auf künstliche Fasern
zurückzugreifen?
Das Thema geht mir seit Anfang des Jahres im Kopf herum und ich
habe mir einige Artikel dazu durchgelesen. Ich fasse jetzt einfach
mal die Punkte zusammen, die mir am interessantesten
erscheinen.
- Wertigkeit für längere Nutzungszyklen. Wir werden es uns nicht
mehr erlauben können, Energie und weitere Ressourcen dafür
aufzuwenden, etwas herzustellen, dass nur 3 Monate hält. Sehr, sehr
viele Menschen werden Wasser und Kleidung brauchen. Wir werden kein
Wasser mehr dafür verschwenden können, dass eine Jeans irgendwie
cool aussieht und es kann auch nicht mehr sein, dass die Jeans dann
nach 10 mal tragen auseinander fällt.
- Kreativität im Umgang mit den Ressourcen
- Die Verantwortung liegt beim Verbraucher: (Zitat Men´s
Health) "Buy less, choose well, make it last"
- So wandelt sich die Mode von morgen zu einem holistischen
Statement. Das berühmte Zitat von Vivienne Westwood ist aktueller
denn je und zeigt, dass wir als Verbraucher ebenso zur
Verantwortung gezogen werden dürfen. Letztendlich geben wir mit
jedem Kauf eine Stimme ab. "Bevor ich früher einen Krimi
aufgeschlagen habe, griff ich lieber zum Telefon und rief bei einem
großen Modelabel an, um nachzuforschen, woher das gewählte Produkt
eigentlich genau kam", verrät Professor Karin-Simone Fuhs. "Ich bin
der Meinung, dass nichts unversucht bleiben sollte, um für fairere
Verhältnisse zu sorgen und jeder noch so kleine Schritt etwas
bewirken kann. Wann es also tatsächlich soweit sein wird, liegt
wohl an jedem von uns."
-
Hybride Materialien: Wir werden je nach Einsatzbereich Stoffe
aus Fasern tragen, die bald natürlich, bald synthetisch sind, im
optimalen Fall aber die besten Eigenschaften beider Welten
vereinen, also hybrid sind. Und wo möglich, werden diese Stoffe
auch umweltneutral wiederverwertbar sein. So zumindest das Ziel. Es
wurden ja in den letzten Jahrzehnten schon viele funktionale Stoffe
entwickelt. Hier wird noch viel mehr passieren. Stoffe sollen
schützen, kühlen, wärmen, Schmutz abweisen, Gerüche neutralisieren.
Smart Materials werden sich an ihre Form erinnern oder sich selbst
reparieren. Gerade die letzten Punkte fände ich sehr begrüßenswert:
Gerüche neutralisieren, Schmutz abweisen und sich selbst
reparieren! Wow. Ganz ehrlich, unsere Nasen würden sich in der
Ubahn drüber freuen. Und dann müsste die Waschmaschine nicht mehr
so oft laufen. Auch das wäre ja nachhaltig gedacht. Ihr lieben
Textilingenieure, dann mal ran an die Arbeit!
- Werden denn unsere Kleidungsstück auch zukünftig genäht werden?
Oder noch viel mehr geschweißt, wie das ja schon immer mal wieder
zu sehen ist. Ich habe letztens nahtlose Unterwäsche gekauft, deren
Nähte geschweißt waren. Vielleicht waren sie aber auch geklebt. Das
kann ich nicht sagen. Jedenfalls stellt sich mir gerade die Frage,
ob wir dann überhaupt noch von Nähten sprechen, wenn sie nicht mehr
genäht werden. Egal, jedenfalls finde ich die Frage spannend, ob
wir im Jahr 2050 vielleicht neben der Nähmaschine noch eine
Schweißmaschine stehen haben werden. Wobei ich es mich nicht
vorstellen kann, dass die Nähmaschine mal komplett verschwindet,
aber andererseits konnte sich vor 30 Jahren auch niemand
vorstellen, dass das Kabeltelefon mal hinfällig werden sollte. Es
bleibt also spannend.
-
https://www.criteo.com/de/blog/mode-nach-dem-lockdown-die-zukunft-der-fashion-branche/
Heutzutage dreht sich alles um Kleidungsstücke, die
saisonübergreifend getragen werden können, sowie kleinere
Bekleidungsserien, die die Anzahl der Stile begrenzen und so für
zeitlosere Garderoben sorgen. Kleidungsstücke, die nicht zu schnell
aus der Mode kommen, sind eine große Errungenschaft, wenn es um
Nachhaltigkeit geht, prognostiziert Broome. Die Generation Z und
die Millenials legen schon heute bei Marken großen wert auf
nachhaltige Produktion und Materialien, sowie Langlebigkeit bei den
Kleidungsstücken. Vielleicht mögen viele Firmen heute noch großen
Profit machen mit Ware, die eine schlechte Qualität hat, aber man
sieht immer mehr auch bei großen Marken wie H&M, zara, Uniqlo,
dass sie sich der Frage der Nachhaltigkeit auf vielen Ebenen
stellen müssen, um auch in 10, 20, 30 Jahren noch erfolgreich am
Markt sein zu können. Mich freut es aber auf jeden Fall, dass
kleinere Nischenmarken immer mehr Aufmerksamkeit bekommen.
-
https://www.welt.de/icon/mode/article204581442/The-State-of-Fashion-2020-Wie-die-Zukunft-der-Mode-aussehen-kann.html
Zitat Welt.de: “So sei Nachhaltigkeit kein Modewort mehr.
Glaubwürdige Konzepte seien gefragt und würden sich auszahlen. Die
Zeit von „Plattitüden und Marketingsprech“ sei jedoch vorbei. In
der Tat hat sich Zara auferlegt, bis 2025 zu 100 Prozent
nachhaltige Materialien zu verwenden, Konkurrent H&M will
immerhin bis 2030 nur noch nachhaltige oder recycelte Stoffe
verwenden. Auch der Wille zum umweltbewussten Konsum ist da: Je
jünger die Kundschaft, desto höher die Bereitschaft, mehr Geld für
entsprechende Kleidung und Accessoires auszugeben. Der Mode hat es
stets genützt, etwas auf die Meinung der jungen Kunden zu geben.”
Hmmmm. Wenn ich das so lese, müssen wir, also die älteren
Generationen uns wohl an die Nase fassen und die jüngere Generation
als Vorbild nehmen.
-
Intelligente Mode: “Doch was im klassischen Design inzwischen
undenkbar scheint, schaffen beispielsweise Innovationen wie
sogenannte Smart Textiles, Wearables oder eCouture, kurzum
intelligente Mode. Eine Handvoll Jungdesigner und visionäre
Modemarken kreieren und kombinieren bereits jetzt schon virtuos
Design mit Technologie, neuen Materialien sowie neuen
Produktionstechniken und lassen damit wieder auf goldene Zeiten mit
innovativen Mode Kreationen hoffen. Die Forschung auf diesem Gebiet
hat zwar erst begonnen, aber wird in den nächsten Jahren unser
Bewusstsein von Kleidung und Accessoires grundlegend verändern.
Zudem werden Trends und Lebenseinstellungen wie Minimalismus,
Rückbesinnung auf alte Werte oder auch ein nachhaltiger bewusster
Umgang mit Konsum eine zentrale soziale Rolle spielen und damit die
Gesellschaft sowie die Industrie zu einem Umdenken zwingen. Denn
statt kurzlebiger Trends wird der persönliche Nutzen, die Qualität
sowie Produktionsweise von Kleidung wieder in den Fokus treten. Man
kann also durchaus in den nächsten Jahrzehnten eine neue
Moderevolution erwarten, allerdings auf einer bisher unbekannten
Ebene.”
- Kommt nach Carsharing nun Fashionsharing?
https://luxiders.com/de/die-zukunft-der-mode-interview-mit-francesca-romana-ronaldi/
Ich zitiere aus diesem Interview mit Francesca Romana Ronaldi:
“Kollaborativer Konsum bedeutet, dass Mode zum Service wird. Es
geht weniger um Besitzen als um Tauschen, Mieten und
Wiederverkaufen. Insbesondere das Mieten von Kleidung wird in der
Zukunft eine große Rolle spielen, vor allem in der Luxusmode. Heute
gibt es schon vereinzelt Drittanbieter, die solche Dienstleistungen
anbieten, und auch Marken wie Stella McCartney und Burberry fangen
an, das Thema zu untersuchen. Damit Vermietung funktioniert, muss
Mode langlebig und hochwertig sein, um möglichst lange genutzt
werden zu können.”
- Neue Fasern aus Abfällen: (Mens Health) Hanf, Ananas, Algen und
Co. Das Materialangebot wird immer kreativer: Auf der einen Seite
gibt es einen Trend zu nachhaltigeren, pflanzlichen Fasern -
beispielsweise aus Hanf, Bambus oder Holz - die allesamt mit
weniger Wasser und Pestiziden angebaut werden können. Und auf der
anderen Seite finden Materialien aus exotischen Zutaten wie
Zitrusfasern, Ananasblättern, Algen,
Soja oder Kaffee immer mehr Einsatz. Oftmals werden diese aus
Nebenprodukten der Landwirtschaft oder Lebensmittelindustrie
hergestellt. Ein Beispiel ist das erste Testkleidungsstück aus der
sogenannten Nullarbor-Faser (lateinisch: "nullus arbor", was "kein
Baum" bedeutet). "Das ist eine nachhaltige Alternative zu Rayon und
Baumwolle", erklärt David Tyler, Professor für Modetechnologie am
Institut für Mode der Manchester Metropolitan University. "Hierbei
wird die Fermentation auf Mikrobenbasis genutzt, um Biomasseabfälle
aus der Bier-, Wein- und Flüssiglebensmittelindustrie in
mikrobielle Zellulose umzuwandeln." Na dann, Prost! Auch wenn die
Faser aus Abfällen hergestellt wird, heißt das nicht gleich, dass
der ganze Herstellungsprozess nachhaltig ist. Welcher Stoff von
welchem Hersteller welche Ökobilanz hat, ist nicht immer klar.
- Was mich zum nächsten Punkt der heutigen Folge führt: zu dir,
zu mir, zu uns als Konsumenten. Wenn wir bei jedem Stoffkauf nach
nachhaltig hergestellten Stoffen fragen, nach Neuentwicklungen,
werden die Verkäufer, die Großhändler, die Hersteller sich danach
richten. Das muss sich natürlich vor allem in unserem Kaufverhalten
widerspiegeln.
- Recycelte Fasern: Kreislaufwirtschaft
ZItat Deutschlandfunk “Erst Mode, dann Müll: Für immer mehr
Kleidungsstücke ist das ein typisches Schicksal. Viele Hersteller
und Kunden setzen auf Mode, die wenig kostet, wenige Waschgänge
übersteht und massenhaft verfügbar ist. Fast Fashion nennen
Experten das. Diese Lust auf neue Looks lässt die Altkleiderberge
weltweit wachsen – und den Müll. Denn Kleidung hochwertig zu
recyceln, ist bisher technisch kaum möglich. Aus alten Blusen oder
Hosen die Fasern zurückzugewinnen, um daraus neue Kleidung zu
produzieren, geht also kaum: „Man schätzt, dass weltweit gesehen,
weniger als ein Prozent der Alttextilien tatsächlich wieder in eine
neue Kleidung reinkommt. Also insofern findet Faserrecycling in der
Textilindustrie, also: für die Bekleidungsindustrie, nicht
statt.“
- Das heißt: Kleidungsstücke müssten an sich anders – sprich:
recycelbarer – designt werden. Auch daran wird gearbeitet: Das
Berliner Start.up circular.fashion zum Beispiel hat dafür, neben
dem Info-Chip für Sortierbetriebe, ein zweites Produkt entwickelt:
eine Designsoftware für Modehersteller. Diese könnten Hersteller
nutzen, um nach besser recycelbaren Material-Kombinationen zu
suchen, erklärt Gründerin Ina Budde: „Da würde ich erstmal das
Grundmaterial von meinem Produkt auswählen und dann wird die
Design-Software mir eben auch gute Alternativen, die eben auch
genau für diesen Kreislauf zusammenpassen, vorschlagen.“
- Das Beste für die Umwelt: gar nicht erst etwas Neues in den
Kreislauf bringen, sondern Kleidung und Stoffe, die bereits im
Kreislauf sind, nutzen.
Fazit
Es ist keine leichte Aufgabe wirkliche Innovationen zu
entwickeln, die gleichzeitig auch an allen Punkten der Herstellung
nachhaltig zu sein. Und was genau bedeutet nachhaltig eigentlich?
Aber diese Frage hier zu erörtern, würde für diese Episode zu weit
führen.